Umschulung nach gewerblicher Tätigkeit ohne Ausbildung: Als Werbungskosten absetzbar?

Können Umschulungskosten als Werbungskosten angesetzt werden, wenn der Steuerpflichtige zuvor bereits eine langjährige und eigenständige Erwerbstätigkeit ausgeübt hatte? Und dies ohne hierfür eine formalisierte Berufsausbildung abgeschlossen zu haben? Mit dieser Frage musste sich das Niedersächsische Finanzgericht beschäftigen.

Im vorliegenden Fall hatte der Kläger in der Zeit von 2001 bis 2003 ein 20-monatiges Praktikum bei einer Firma absolviert. Die dort erworbenen Kenntnisse in den Bereichen der Veranstaltungstechnik und des Veranstaltungsmanagements nutzte er für eine gewerbliche Tätigkeit, welche er 2003 anmeldete. Hieraus erzielte er in den Jahren 2004 bis 2018 Einkünfte von fast 150.000 Euro.

Darüber hinaus erwarb der Kläger Anfang 2005 zunächst die Privatpiloten-Lizenz für einmotorige Flugzeuge nach Sichtflugregeln. 2011 folgte dann die Nachtflugberechtigung und 2017 die Instrumentenflugberechtigung für ein- und mehrmotorige Flugzeuge (Berufspilotenlizenz). 2018 konnte er zudem die Musterberechtigung für den Airbus A 320 erwerben.

Umschulungen und Absetzung als Werbungskosten sind nicht trivial.Zwar wurde vom Kläger auch schon in den früheren Jahren der Werbungskosten-Abzug beantragt, 2016 und 2017 legte er aber gegen die Ablehnung des Finanzamts Einspruch ein. Seine Begründung lautete, dass es sich bei den Aufwendungen nicht um eine Erstausbildung handele – er sei vielmehr seit mehreren Jahren selbstständig tätig.

Für die Anerkennung als Werbungskosten reiche es aus, dass er bereits beruflich tätig geworden sei, selbst wenn er eine Ausbildung im formellen Sinne nie abgeschlossen hätte. Eine solche abgeschlossene Ausbildung sei eben nicht erforderlich. Der Erwerb der Berufspilotenlizenz im Jahr 2017 sei als Umschulung in einen anderen Berufsbereich einzuordnen. Er habe sich mit seiner gewerblichen Tätigkeit bereits eine Berufs- und Lebensgrundlage geschaffen, die eine anschließende Erstausbildung ausschließe.

Eine Erstausbildung stelle eine der Grundvoraussetzungen für die persönliche Entwicklung und die Erlangung und Festigung einer gesellschaftlichen Stellung dar. Sie solle die erstmaligen Voraussetzungen für eine selbstbestimmte Lebensführung vermitteln und die Kompetenzen für die allgemeine Lebensführung der Auszubildenden verschaffen. Demzufolge sei sowohl sein absolviertes Praktikum wie auch die spätere selbstständige Tätigkeit als eine Erstausbildung anzusehen, denn diese habe ihm bereits eine selbstbestimmte Lebensführung ermöglicht.

Das Niedersächsische Finanzgericht hat sich in seiner Entscheidung vom März 2021 jedoch der Auffassung des Finanzamts angeschlossen. Aufwendungen für eine Berufsausbildung oder für ein Studium seien nur dann Werbungskosten, wenn der Steuerpflichtige zuvor bereits eine Erstausbildung abgeschlossen habe oder wenn die Berufsausbildung oder das Studium im Rahmen eines Dienstverhältnisses stattfinde. Das Gesetz sehe vor, dass eine Berufsausbildung als Erstausbildung nur dann vorliege, wenn eine geordnete Ausbildung mit einer Mindestdauer von 12 Monaten bei vollzeitiger Ausbildung und mit einer Abschlussprüfung durchgeführt wird. Diese Voraussetzungen seien weder durch das vom Kläger angeführte Praktikum, noch die langjährige gewerbliche Tätigkeit hinreichend erfüllt.

Nach erfolgreicher Nichtzulassungsbeschwerde läuft aktuell (2022) gegen die Entscheidung des Niedersächsischen Finanzgericht mittlerweile ein Revisionsverfahren vor dem Bundesfinanzhof.

Urteil des niedersächsischen Finanzgericht vom 26.3.2021; AZ – 2 K 130/20 –

 Foto: Elnur

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