Sind Leistungen eines Verfahrensbeistands von der Umsatzsteuer befreit?

Das Umsatzsteuer-Gesetz regelt im nationalen Recht Steuerbefreiungen bei Lieferungen und sonstigen Leistungen. Ein Steuerpflichtiger kann sich jedoch im Hinblick auf ein mögliche Steuerfreiheit seiner Leistungen mangels hinreichender Umsetzung im nationalen Recht auf eine für ihn günstigere Befreiungsnorm berufen. So kann sich ein nach dem „Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit“ (Familienverfahrensgesetz) gerichtlich bestellter Verfahrensbeistand auf die EU-rechtliche Steuerbefreiung berufen.

Das gilt auch für die Klägerin, die 2013 unter anderem Leistungen als Verfahrensbeistand nach dem Familienverfahrensgesetz  erbrachte. Sie vertrat die Auffassung, die von ihr erzielten Umsätze aus dieser Tätigkeit seien umsatzsteuerfrei. Das Finanzamt dagegen ging von umsatzsteuerpflichtigen Umsätzen aus. Eine Klage vor dem Finanzgericht Köln hatte auch zunächst keinen Erfolg. Der Bundesfinanzhof, mit Urteil vom 17.7.2019, hob jedoch das Urteil auf und gab der Klage statt.

Umsatzsteuer - ja oder nein?Die Leistungen der Klägerin seien zwar nach USt-Gesetz vom Grunde her nicht steuerfrei, jedoch habe das Finanzgericht in der ersten Instanz die Voraussetzungen der Steuerfreiheit nach „MwStSystRL“ zu eng ausgelegt – und die Leistungen der Klägerin als Verfahrensbeistand daher zu Unrecht nicht als steuerfrei behandelt. Besagte Mehrwertsteuer-System-Richtlinie (MwStSystRL) fasst in etwa 400 Artikeln die geltenden Vorgaben der EU über die Ausgestaltung der nationalen Umsatzsteuergesetze zusammen. Die USt-Gesetze der Mitgliedsstaaten müssen entsprechend der Richtlinie gestaltet und ihre Bestimmungen im Zweifel entsprechend den Vorgaben der Richtlinie ausgelegt werden. Hier ist (noch) eine Lücke im nationalen Recht, die die Klägerin – zu recht – für sich beanspruchte.

Im konkreten Fall seien Leistungen der Klägerin als Verfahrensbeistand als eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundene Dienstleistungen zu sehen. Entgegen der Ansicht des Finanzgericht Köln, so die Bundesrichter, ist der Verfahrensbeistand aufgrund einer Gesamtwürdigung der maßgeblichen Kriterien sogar einer sozialen Einrichtung gleichgestellt. Die Klägerin sei eine vom Mitgliedstaat anerkannte Einrichtung, da der Verfahrensbeistand letztlich durch das Gericht ausgewählt und bestellt werde. Diese würden grundsätzlich nach festgelegten „Preisen“ (Honoraren) vergütet und unterliege daher durchaus den strengen Kriterien der „öffentlichen Kontrolle“.

Einer Steuerfreiheit nach EU-Recht kann nicht entgegengehalten werden, dass der Gesetzgeber von der Umsatzsteuerpflicht eines Verfahrensbeistands ausgeht. Die Gesetzesformulierung sei dahingehend auslegbar, dass die Umsatzsteuer nur dann als Bestandteil der Vergütung anzusehen ist, wenn sie nach geltendem Umsatzsteuerrecht auch tatsächlich geschuldet wird.

Bundesfinanzhof, Urteil vom 17.7.2019; AZ – V R 27/17 –

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