Unternehmen in Schwierigkeiten kann keine stromsteuerliche Entlastung gewährt werden – eine sehr klare Aussage des Bundesfinanzhofes, der Betroffenen keinen Raum zur Interpretation bietet. Mit dem Urteil vom Januar 2022 wird deutlich, dass Steuerentlastungen nach dem Stromsteuergesetz (StromStG) aufgrund ihrer selektiven Wirkung als staatliche Beihilfe gelten und als solche dem Durchführungsverbot unterliegen.
Die Klägerin vertrat jedoch die Auffassung, es handele sich bei den von ihr beantragten Steuerentlastungen nicht um Beihilfen. Die Gewährung der Entlastung sei als staatliche Maßnahme an eine angemessene Gegenleistung gekoppelt, da die Unternehmen ein Energie-Managementsystem betreiben müssten, was mit erheblichen Aufwendungen für diese verbunden sei. Deshalb gewähre die Entlastung keinen Vorteil.
Anlass war die wirtschaftliche Situation des Unternehmens: Die Klägerin ist eine im Jahr 2008 mit einem Stammkapital von 100.000 € gegründete GmbH. Ihr nicht durch Eigenkapital gedeckter Fehlbetrag belief sich im Jahr 2015 auf gut 1,7 Millionen Euro und im folgenden Jahr auf 2,2 Millionen. Dadurch ergaben sich Verluste von etwa 1,2 Millionen Euro im Jahr 2015 und noch einmal ca. 474.000 Euro im Jahr 2016. Nach der Stellungnahme der von der Klägerin beauftragten Rechtsanwältin zur wirtschaftlichen Situation unter insolvenzrechtlichen Gesichtspunkten sowie deren Fortschreibung, war das Unternehmen bereits Ende 2014 überschuldet; stille Reserven waren der Stellungnahme zufolge nicht vorhanden – es bestand jedoch eine positive Fortführungsprognose.
Die Anträge auf Stromsteuerentlastung lehnte das zuständige Hauptzollamt (HZA) mit der Begründung ab, dass die Klägerin ein sogenanntes „Unternehmen in Schwierigkeiten“ sei und daher nach Maßgabe des Beihilferechts die beantragten Entlastungen nicht gewährt werden dürften. Einspruch und Klage blieben denn auch erfolglos.
Neben des konkreten Anlass einer nicht gewährten Beihilfe, ging es daher vor allem um die Frage, ob ein Unternehmen auch dann in Schwierigkeiten im Sinne der Allgemeinen Gruppenfreistellungsverordnung (AGVO) ist, wenn zwar mehr als die Hälfte des gezeichneten Stammkapitals infolge aufgelaufener Verluste verlorengegangen ist, jedoch wegen der Einbindung des Unternehmens in einen Konzern eine positive Fortführungsprognose gestellt werden kann.
Die Richter des BFH trafen dazu zwei wesentliche Aussagen: Erstens stellt die AGVO bei der Definition eines Unternehmens in Schwierigkeiten konkret auf die einzelne GmbH ab, welche die Beihilfe beansprucht. Dieser auf bestimmte Gesellschaftsformen bezogene Unternehmensbegriff umfasst deshalb nicht einen Zusammenschluss mehrerer Unternehmen zu einem Konzernverbund. Zweitens kommt es auf eine positive Fortführungsprognose nicht an, weil eine solche Einschränkung nach dem Wortlaut des AGVO gar nicht vorgesehen ist.
BFH-Urteil vom 19. Januar 2022; AZ – VII R 28/19 –
Foto: Alexander Raths