Der Bundesgerichtshof hat in einem aktuellen Urteil vom Januar 2023 erneut über Revisionen eines Verbraucherschutzverbands und einer Sparkasse gegen ein Musterfeststellungsurteil des Oberlandesgerichts Dresden entschieden. In dem Verfahren geht es um die Wirksamkeit von Zinsänderungsklauseln für Prämiensparverträge, die die Sparkasse seit den 1990er Jahren mit Verbrauchern abschloss. Diese Verträge sahen eine variable Verzinsung der Spareinlage sowie gestaffelte verzinsliche Prämien vor. Der Musterkläger hält die Regelungen zur Änderung des variablen Zinssatzes für unwirksam und die während der Laufzeit der Sparverträge von der beklagten Sparkasse vorgenommene Verzinsung der Spareinlagen für zu niedrig.
In den in die Sparverträge einbezogenen „Bedingungen für den Sparverkehr“ heißt es: „Soweit nichts anderes vereinbart ist, vergütet die Sparkasse dem Kunden den von ihr jeweils durch Aushang im Kassenraum bekannt gegebenen Zinssatz. Für bestehende Spareinlagen tritt eine Änderung des Zinssatzes, unabhängig von einer Kündigungsfrist, mit der Änderung des Aushangs in Kraft, sofern nichts anderes vereinbart ist.“
Der Musterkläger verfolgt mit seiner Musterfeststellungsklage sieben Feststellungsziele, darunter die Unwirksamkeit der Zinsänderungsklausel und die Bestimmung eines Referenzzinssatzes. Das Oberlandesgericht hat der Musterfeststellungsklage teilweise stattgegeben, wogegen beide Parteien Revision eingelegt haben. Der Bundesgerichtshof hat nun seine bisherige Rechtsprechung in diesem Zusammenhang bestätigt und das Musterfeststellungsurteil des Oberlandesgerichts teilweise aufgehoben. Er ordnet an, dass das Oberlandesgericht einen für die Höhe der variablen Verzinsung maßgebenden Referenzzinssatz bestimmen muss und dass die Zinsanpassungen von der Beklagten unter Beibehaltung des anfänglichen relativen Abstands des Vertragszinssatzes zum Referenzzinssatz vorzunehmen sind.
Das Oberlandesgericht hatte zuvor argumentiert, dass es keinen Referenzzinssatz im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung bestimmen könne, da nicht auszuschließen sei, dass individuelle Vereinbarungen in den Sparverträgen enthalten seien. Der Bundesgerichtshof widerspricht dieser Ansicht und betont, dass solche Individualvereinbarungen nur in den Klageverfahren zwischen den Verbrauchern und der Beklagten zu berücksichtigen seien, nicht jedoch in einem Musterfeststellungsverfahren.
Das Urteil zeigt deutlich, dass bei der Bestimmung des Referenzzinssatzes ein Konzept berücksichtigt werden muss, das auf langfristiges Sparen ausgelegt ist und dass eine risikolose Anlageform darstellt. Durch die Beibehaltung des anfänglichen relativen Abstands des Vertragszinssatzes zum Referenzzinssatz soll das Grundgefüge der Vertragskonditionen über die gesamte Laufzeit der Sparverträge erhalten bleiben. Das Oberlandesgericht wird nun erneut über die Anträge des Musterklägers betreffend den Referenzzinssatz zu entscheiden haben und dabei einen geeigneten Referenzzinssatz im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung bestimmen müssen.
Das Urteil verdeutlicht, dass Individualvereinbarungen für Prämiensparverträge nur in den Klageverfahren zwischen den Verbrauchern und der Beklagten zu berücksichtigen sind, nicht jedoch in Musterfeststellungsverfahren.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 24.1.2023; AZ – XI ZR 257/21 –
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