Ausländische Pflegekräfte haben Anspruch auf vollen Mindestlohn – auch bei Bereitschaft

Nach Deutschland in einen Privathaushalt entsandte ausländische Betreuungskräfte haben Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn für geleistete Arbeitsstunden. Das gilt auch wenn diese – wie im vorliegend Fall – fest bei einem Unternehmen mit Sitz in Bulgarien als Sozialassistenten beschäftigt sind. In dem in bulgarischer Sprache abgefassten Arbeitsvertrag war eine wöchentliche Arbeitszeit von 30 Stunden vereinbart, wobei Samstag und Sonntag arbeitsfrei sein sollten. Das Bundesarbeitsgereicht entschied im Juni 2021, dass voller Mindestlohn zu zahlen sei und dies auch zusätzliche Bereitschaftsdienste mit einschließe.

Ein solche Bereitschaft kann darin bestehen, dass die Person im Haushalt der zu betreuenden Person wohnen muss und grundsätzlich verpflichtet ist, zu allen Tages- und Nachtstunden bei Bedarf Arbeit zu leisten. Dies war auch bei der Klägerin so, die nach Berlin entsandt wurde und gegen eine Nettovergütung von monatlich 950,00 Euro im Haushalt der über 90-jährigen zu betreuenden Person arbeitete – bei der sie auch ein Zimmer bewohnte.

Mindestlohn auch für ausländische Arbeitnehmer!Ihre Aufgaben umfassten neben Haushaltstätigkeiten eine „Grundversorgung“ (wie Hilfe bei der Hygiene, beim Ankleiden etc.) sowie soziale Aufgaben (zum Beispiel „Gesellschaft leisten“ oder gemeinsame Interessenverfolgung). Der Einsatz der Klägerin erfolgte auf der Grundlage eines Dienstleistungsvertrags, in dem sich das beklagte bulgarische Unternehmen verpflichtete, die u.a. aufgeführten Betreuungsleistungen in deren Haushalt zu erbringen.

Die Klägerin hatte dann unter Berufung auf das Mindestlohngesetz weitere Vergütung verlangt, da sie bei der Betreuung nicht nur 30 Wochenstunden, sondern rund um die Uhr gearbeitet habe oder in Bereitschaft gewesen sei. Selbst nachts habe die Tür zu ihrem Zimmer offenbleiben müssen, damit sie auf Rufen der zu betreuenden Person – etwa zum Gang auf die Toilette – Hilfe habe leisten können. Das beklagte Unternehmen hatte Klageabweisung beantragt und argumentiert, sie schulde den gesetzlichen Mindestlohn nur für die vertraglich vereinbarten 30 Wochenstunden. In dieser Zeit hätte die der Klägerin obliegenden Aufgaben ohne Weiteres erledigt werden können. Bereitschaftsdienst sei nicht vereinbart gewesen. Sollte die Klägerin tatsächlich mehr gearbeitet haben, sei dies nicht auf Veranlassung ihres Arbeitgebers erfolgt.

Das Landesarbeitsgericht hatte der Klage überwiegend entsprochen und ist im Wege einer Schätzung von einer Arbeitszeit von 21 Stunden pro Tag ausgegangen. Dagegen richtete sich die Revision des bulgarischen Arbeitgeber. Das Berufungsgericht hat dazu angenommen, dass die Verpflichtung zur Zahlung des gesetzlichen Mindestlohns ausländische Arbeitgeber stets auch dann zutrifft, wenn diese Arbeitnehmer nach Deutschland entsenden.

Das Landesarbeitsgericht hatte zusätzlich in den Blick genommen, dass aufgrund des zwischen dem beklagten Unternehmen und der zu betreuenden Person geschlossenen Dienstleistungsvertrags eine 24-Stunden-Betreuung durch die Klägerin vorgesehen war. Für die Annahme des Landesarbeitsgerichts, die Klägerin habe geschätzt täglich drei Stunden Freizeit gehabt, fehle es jedoch an ausreichenden Anhaltspunkten, so dass auch aus diesem Grund das Urteil des Landesarbeitsgerichts aufzuheben sei, so der Entscheid des Bundesarbeitsgericht.

Die Sache wurde daher an das Berufungsgericht zurück verwiesen, um den Sachverhalt weiter aufzuklären, den Vortrag der Parteien umfassend zu würdigen und festzustellen, in welchem Umfang die Klägerin Vollarbeit oder Bereitschaftsdienst leisten musste und wie viele Stunden Freizeit sie hatte.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 24.6.2021; AZ – 5 AZR 505/20 –

Foto: Alexander Raths

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