Für die Kläger ist es sicher nachvollziehbar, dass sie nach einer steuerlichen Entlastung suchen, wenn sie einen größeren fünfstelligen Betrag für die Gesundheit ihrer Tochter ausgegeben haben. Doch was ist, wenn es um alternative Heilmethoden geht und nicht um Schulmedizin? Ist das auch eine berechtigte Ausgabe, die vom Finanzamt berücksichtigt werden muss?
Die Kläger ließen ihre gut zweijährige schwerbehinderte Tochter von zwei Heilpraktikern eines Naturheilzentrums behandeln. Die Krankenkasse lehnte die Erstattung dieser Kosten von fast 17.000 Euro jedoch ab. Darauf hin machten die Eltern diese Aufwendung als außergewöhnliche Belastung in ihrer Einkommensteuererklärung geltend. Als entsprechende Begründung legten sie ein privatärztliches Attest einer Fachärztin für Kinder- und Jugendheilkunde (Homöopathie) beim Finanzamt vor, das vom Amtsarzt mit einem knappen „Die Angaben werden amtsärztlich bestätigt“ ergänzt wurde.
Doch dem Finanzamt waren die Ausführungen des Amtsarztes schlichtweg zu kurz. Darin sei kein Gutachten zu sehen, so die Behörde. Im angehängten Attest empfahl die Ärztin die Teilnahme am Förderprogramm des Naturheilzentrums und erläuterte, dass bei dem schweren Krankheitsbild jeder Versuch, das Ergebnis zu verbessern, für die Familie wichtig und auch medizinisch positiv einzuordnen sei – eben auch alternative Heilmethoden.
Die Behandlungskosten wurden trotzdem nicht als außergewöhnliche Belastung anerkannt und die betroffenen Eltern wandten sich an das Finanzgericht. Ein Steuerpflichtiger kann die Kosten für eine wissenschaftlich nicht anerkannte Heilmethode auch dann als außergewöhnliche Belastung steuerlich geltend machen, wenn er dem Finanzamt zum Nachweis der Erforderlichkeit der Behandlung nur eine kurze Stellungnahme des Amtsarztes und kein ausführliches Gutachten vorlegt, so lautete dessen Urteil vom Juli 2018.
Die Voraussetzungen, so das Finanzgericht, seien vollumfänglich erfüllt. Zwar enthalte der Wortlaut der Verordnung tatsächlich den Begriff „amtsärztliches Gutachten“. Die Vorschrift ermächtige jedoch nicht nur den Amtsarzt, sondern in gleicher Weise auch den Medizinischen Dienst der Krankenkasse (MDK), die Zwangsläufigkeit von Aufwendungen bei unkonventionellen Behandlungsmethoden zu bestätigen.
Hierfür müsse der medizinische Dienst lediglich eine „Bescheinigung“ ausstellen. Vor diesem Hintergrund – und mit Rücksicht auf Sinn, Zweck und historische Entwicklung der Vorschrift – seien daher an das erwähnte „Gutachten“ des Amtsarztes in Bezug auf Form und Inhalt keine höheren Anforderungen als an besagte „Bescheinigung“ zu stellen.
Zwar war das Finanzgericht auch der Auffassung, dass die Tochter der Kläger mit wissenschaftlich nicht anerkannten Methoden behandelt worden sei, jedoch seien für eine steuerliche Anerkennung letztlich alle Anforderungen erfüllt.
Finanzgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 4.7.2018; AZ – 1 K 1480/16 –
Foto: valya82 – stock.adobe.com